Warum niemand erwachsen ist

Habt ihr schon mal einen Menschen erlebt, der emotional älter als 5 Jahre ist?

Wow, Glückwunsch. Das ist selten. Traurig ist es vor allem, wenn man in die Führungstagen schaut. Da sitzen die netten Herren (überwiegend) in ihren Anzügen und eigentlich sind es alles 2-6 jährige Jungs.

Wenn man hinschaut, kann man es sehen.

Gerade gestern habe ich wieder so eine Geschichte von einem Geschäftsführer gehört. Natürlich ein netter Kerl. Aber alles geht nach ihm und seinem Kopf. Genaugenommen: Es geht um ihn.

“Der Zweck von Systemen ist das, was sie tun.”

— Stafford Beer

Und der Zweck der Systeme – von all diesen Jungs – sind sie. Sie müssen ihr Ego füttern. Und gefüttertes Ego bedeutet: Unter 3 Jahren.

Schauen wir uns mal an, wie das mit der Entwicklung geht. Was wir in der Erziehung tun sollten, und was das über Leadership sagt.

“Unsere erlebte Erziehung ist die Form von Führung, die wir praktizieren.”

— Danilo Assmann

Vom Kind zum Erwachsenen: Der Neocortex entfaltet sich

Das Bild zeigt das Ideal. Die Kurven habe ich eingezeichnet, weil es eben nicht immer linear läuft, sondern ein Auf- und Ab ist, aber der Trend ist Wachstum.

In der idealen Welt ist unser Gecko (blau; Stammhirn, zuständig für die Angst) gechillt. Wir leben in einer freundlich wahrgenommenen Welt. Die Welt ist voller Möglichkeiten. Das ist jetzt nicht dysfunktionaler Positivismus. Wir wissen, dass es Gefahren und Schmerz gibt. Aber es ist nicht alles. Und wir haben großen Einfluss, das zu vermeiden und zu bewältigen.

Der Limbi (orange; emotionale und soziale Intelligenz) entwickeln sich. Und darauf kann sich unser Neocortex (türkis; unser bewusstes Denken, unser Verstand) entfalten.

Unsere Realität

In unserer Kultur: Der Limbi stirbt. Genauer: er geht ins Defizit; auf die dunkle Seite der Macht.

“I am not enough”

— wir alle (nach Marisa Peers)

Da es nur darum geht, ob wir funktionieren, ist unser “ich bin nicht genug”, die treibende Kraft in unserem Leben. Die treibende Angst.

Das ist auch bei Gen Z noch nicht anders. Vieles andere ist dort nicht mehr so stark unterdrückt, aber trotzdem richtungslos.

Was wir in der Darstellung sehen ist, dass früh die Angst (blau) übernimmt. Je nach Situation zeigt sich das als Fight, Flight oder Freeze-Muster. Oder eins dieser Muster in einer Rolle (einer Verkleidung), die sozial angepasst ist. Zum Beispiel “über Leistung glänzen”. Oder eben der Außenseiter, das abschreckende Beispiel sein. Völlig unterschiedliches Verhalten auf der Außenseite, aber im Inneren der gleiche Zustand.

Und sobald die Angst übernimmt, dämpft sie alles andere. Unser Limbi (orange, die emotionale Intelligenz), ist gedämpft oder geht in den Widerstand. Das kann auch Selbstzerstörung sein.

Und auch unsere kognitive Entwicklung ist eingeschränkt. Angst reduziert den IQ bis um 20 Punkte.

Das ist doof. In jedem Sinn. Also worauf sollten wir achten?

Definition Grundbedürfnisse

Es gibt unzählige Modelle von unseren psychologischen oder emotionalen Grundbedürfnissen. Der Neurologe Gerald Hüther reduziert sie auf “Verbundenheit” und “Gestaltungsmöglichkeit”. Wir wollen mit anderen verbunden sein, aber auch unser Leben gestalten. Von Anfang an.

Mein liebstes Modell umfasst vier Grundbedürfnisse: Bindung, Selbstwert, Selbstbestimmung, Sicherheit.

Bindung ist das zentrale Element. Alle anderen definieren sich daraus.

Ich fühle in einer liebevollen Beziehung meinen Wert. Selbstwert. Und übernehme das in die Beziehung, die ich zu mir habe.

In der liebevollen Beziehung habe ich den Raum mich zu entfalten, das Leben zu gestalten. Das ist die Selbstbestimmung.

Sicherheit ist nicht, dass mir nichts passieren kann oder es keine Gefahr gibt, sondern ein “wir schaffen das”. Es ist also ein soziales Konzept, dass wir in der Verbundenheit mehr schaffen können, als alleine.

Von 0-3 Jahren

Gecko und Limbi: Gecko ist am stärksten, weil wir am Leben bleiben müssen. Sicherheit ist in dern Zeit das Wichtigste. Selbstbestimmung und Selbstwert spielen eine untergeordnete Rolle.

Und wenn dann ist es “ich will haben”. Unser Baby-Ego ist das Zentrum der Welt.

Von 0-7 Jahren

Von 0 bis 7 ist der Limbi dominant. Das heißt nicht, dass der Neocortex nicht da ist, aber er bestimmt nicht. Deswegen haben wir in der Zeit auch einfach weniger Erinnerungen.

Selbstbestimmung und Selbstwert, werden wichtiger. Aber mit dem Wachstum (Entfaltung) des Limbis, geht es auch nicht mehr nur um meine Emotionen, sondern ich nehme immer mehr die Emotionen der anderen wahr und reagiere intelligent darauf. Es entwickelt sich die soziale Intelligenz.

Aus dem “ich will haben”, wird immer mehr die Frage “und was macht das mit anderen?”. Letztlich sogar “was ist gut für uns (das System)?”.

Das ist der Kern von interner emotionaler Regulierung. Weder meine Gefühle noch deine sind eine absolute Realität. Sie sind nicht bedeutungslos, aber auch nicht bestimmend. Und ich darf sie zulassen. Ich muss sie nicht unterdrücken, über externe emotionale Regulierung (alle denkbaren Süchte und Ersatzhandlungen) kompensieren, oder sie ungefiltert ausleben.

Sie sollen wahrgenommen werden. Ist mein Limbi offen und stimmig, dann ist es eine enorme Hilfe, ein Powertool. Aber ich übernehme auch Verantwortung für meinen inneren Zustand. Ich lass mich nicht fernsteuern, aber will dich auch nicht fernsteuern. Ich kann meinen Limbi nutzen (zulassen), wie ich meinen Verstand nutze. Und das ist dann die Voraussetzung für …

Von 7-12 Jahren

Der Neocortex sollte sich weiterentwickeln, aber den Limbi nicht unterdrücken. Das ist aber das, was unsere “Zivilisation” macht. Gerade das Thema “Pünktlichkeit” und “Disziplin” sind Werkzeuge der Limbi-Verstümmelung.

„Wir wissen aus der Forschung, dass es 400 Wiederholungen … einer Lernfähigkeit braucht … um eine neue Synapse zu erhalten. Oder … 12 Wiederholungen mit Freude und Lachen …“”

–Dr. Karyn Purvis

Hier brauchen wir also ein gesundes Lernen. Nicht Limbi gegen Neocortex, sondern beide miteinander. Denn ist der Limbi im Frieden (in der Freude!), dann ist Lernen spielend leicht. Wir reden um den Faktor 30 bei der Bildung von neuen Synapsen.

Wie im Zitat gesagt: Wir brauchen ~400 Wiederholungen zum Bau neuer Synapsen, wenn wir traditionell lernen, aber nur ~12 Wiederholungen, wenn wir mit Freude lernen. Bei der Arbeit von Karyn Purvis geht es vor allem um den Effekt von (natürlichem, guten) Dopamin, gegenüber Cortisol. (Cortisol ist dauerhaft im System, wenn die blaue Linie hoch ist.)

Wir brauchen also Umgebungen, die den Limbi gesund und stark halten, ihn sogar trainieren, und auf der Basis auch den Neocortex trainieren. Beides gleichzeitig.

Das ist etwas, was völlig natürlich ist – wir sehen es bei allen Tieren –, nur wir haben e etwas verlernt. Aber das ist nicht schlimm, wir können es ja besser machen.

Lektionen

  • Wir sollten auf emotionales immer emotional reagieren. Alles andere ist dumm. Ein “jetzt seien wir mal sachlich” können wir aus unserem Wortschatz streichen. Das ist so, als würde dir jemand einen Joghurt anbieten, wenn du dir den Fuß gebrochen hast. Es hat einfach nichts miteinander zu tun. Es zeigt nur, dass du bei deiner emotionalen Entwicklung bei 2-3 Jahren stehen geblieben bist.
  • Bis zum Alter von 7 Jahren ist alles emotional (“Ich möchte, dass du fühlst, was ich fühle.”) Das bleibt eigentlich auch danach so, aber in dem Alter gilt es besonders. Deswegen ist die “Erklär-Bär”-Erziehung auch nicht wirklich hilfreich. Das Ziel des Kindes ist nie, dich zu stressen, sondern verstanden zu werden. Und unser Limbi hat keine Sprache. Wir müssen einander fühlen.
  • Bevor wir Kinder haben, müssen wir unseren Limbi wiederbeleben. Das gilt auch für jede andere Form von Führung. Denn wenn unser Limbi im Defizit, im Dunkel ist, dann wird er das auf alle anderen Limbis übertragen.

Interne emotionale Regulierung ist das, was uns “erwachsen” macht. Und das fehlt meistens. Es sind eben genau Verhaltensmuster, aber auch Ausdrucksweisen. Eben das beliebte “sind wir mal professionell”. Heißt, ich bin emotional unter 7 Jahren.

Der Schlüssel ist, dass wir aus dem “Entweder-oder” Denken herauskommen. Denn wir brauchen Limbi und den Neocortex. (Wir brauchen auch den Gecko, aber für alle automotive Leute, der ist eher wie ein Watchdog: Ich brauche ihn, wenn ich ihn brauche, aber es sollte so selten als möglich sein.)

Arbeiten die beiden Hand in Hand, dann sind wir in einem guten und produktiven Zustand. Je höher unsere innere Stimmigkeit, desto mehr sind wir in unserem Potenzial. Jede innere Reibung oder Zerrissenheit ist einfach nur Verschwendung von Energie. Also lebt sparsam.

Comments

2 responses to “Warum niemand erwachsen ist”

  1. […] is completely different. Until they break, children are 90% limbi and only 10% neocortex. (see the blog entry on child development) So the rational is simply not as important as the inner emotional state. And in children, it will […]

  2. […] Kindes ist ganz anders. Bis sie zerbrechen sind Kinder 90% Limbi und nur 10% Neocortex. (siehe den Blog-Eintrag zur Entwicklung von Kindern) Also das Rationale ist einfach nicht so wichtig, sondern der innere emotionale Zustand. Und beim […]

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