Gedanken zur Wahl – Teil 1: “Wächter des Stillstands”

Eine kleine Serie in vier Teilen (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4), die sicher keine Wahlempfehlung enthält, aber die systemischen Grundlagen von OrgIQ auf aktuelle politische Situationen anwendet.

Übrigens kann man das auf alle Wahlen anwenden. Die vergangenen und die zukünftigen.

Schauen wir mal, wie das funktioniert.

Teil 1: Warum Demokratie den “Guardians” folgt

Bei unseren Beliefs haben wir unter #4c die Eigenschaften von Populationen kennengelernt. Und unser einfaches P-G-L (Pioneers – Guardians – Lifelines also Pioniere, Wächter und Rettungsringe) Modell ist eine vereinfachte Variante von dem bekannten Change-Diffusion-Modell.


Jede gesunde Population hat – stark vereinfacht – diese drei Rollen. Ob bei Kakerlaken oder Menschen: Wir brauchen die Pioniere (~20%) um neue Lebensräume zu erkunden und auf externe Änderungen intelligent zu reagieren. Wir haben die Wächter (~60%), die für Stabilität sorgen. Und dann haben wir die Rettungsringe (~20%) die in der Vergangenheit verharren, und die Population im Notfall am Leben erhalten, wenn sich die anderen getäuscht haben.

Kakerlaken-Studie

Als Beispiel nehmen wir hier die Kakerlaken. Auch dort gibt es Ausprägungen von Charaktereigenschaften. Es gibt die Risiko-frohen, die neue Gebiete entdecken, aber auch schnell sterben. Und es gibt die, die auf Nummer sicher gehen, immer hinterher wackeln, aber im Zweifelsfall das Überleben sichern.

Keins von beiden ist richtig oder falsch. Aus Sicht des Systems sind beide wichtig. Es ist sinnvoll, neue Lebensräume entdecken zu können. Aber wenn alles Abenteurer sind und hohes Risiko eingehen und sterben, dann ist es aus mit der Population. Da brauchen wir die Bewahrer.

Umgekehrt werden die Bewahrer sterben, wenn sich die Umgebung verändert, dann haben wir die Abenteurer, die neue Welten entdecken.

Wir müssen es aus Sicht des Systems sehen. Was dient der Erhaltung der Art?

(Isaac Planas-Sitjà; Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences; Université Libre de Bruxelles; 2014); https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/auch-schaben-haben-eine-persoenlichkeit/

Die Pioniere und die Rettungsringe opfern sich der Population, weil sie das größte Risiko eingehen. Bei der Suche nach neuen Lebensräumen gehen die Pioniere das Risiko ein, dass sie den Gefahren der Umwelt erliegen. Und die Rettungsringe bleiben solange in der alten Welt, um den Rückzug zu ermöglichen, dass sie bei starken Veränderungen der alten Umgebung zum Opfer fallen.

Robustes System

Das ist jetzt erstmal ein sehr robustes und cleveres System. Es hat ja auch seinen Grund, dass die organischen Systeme sehr adaptiv sind und schon sehr lange überlebt haben. Das steckt auch im Namen von OrgIQ, dass wir von dieser Intelligenz (lernen, vorausschauen und anpassen zum Überleben und Gedeihen des Systems) lernen wollen.

In der Demokratie ist es allerdings so, dass wir in vielen Bereichen die drei Gruppen aneinander binden. Also wenn wir wählen, dann gibt es ein Ergebnis für Pioniere, Wächter und Rettungsringe.

Es gibt Situationen (das sehen wir in Teil 2), in denen die Interessen dieser drei Gruppen ganz eng zusammen sind, aber im Normalfall ist das nicht so.

Denn hinter den drei Rollen steckt eigentlich ein Angst-Level. Pioniere haben einen sehr niedrigen Angst-Level, die Wächter mehr und die Rettungsringe den größten.

Angst kann manchmal hemmen, aber auch bewahren. Also Angst an sich ist weder gut noch schlecht, sondern zuerst ein Schutzmechanismus. Und da die Zukunft unklar und unsicher ist, hat die Natur es so eingerichtet, dass wir als Population immer zwei Strategien ausführen können. Neues und Altes. Und wer überlebt hat recht.

Wenn wir aber alle an einer Entscheidung und Richtung festmachen, dann verlieren wir 50% von unserem Lösungsraum.

Und je größer die Angst und Unsicherheit ist, desto mehr verhärten sich die Fronten. Die Pioniere wollen in die eine Richtung, während die Rettungsringe und auch die Wächter eher in die andere Richtung ziehen.

Demokratie führt dazu, dass wir in Zeiten von Angst und Unsicherheit eher in die Vergangenheit schauen, als in die Zukunft. Angst lähmt 80% der Population und die Demokratie legt den Pionieren Fesseln an.

Das bedeutet nicht, dass Pioniere immer recht haben. Aber es ist eine zusätzliche Option. Und sie sind ja bereit sich zu opfern. Aber wenn wir sie nie lassen, dann können wir als System nicht lernen.

Also kluge Systeme müssten beide Optionen unterstützen. Gleichzeitig. Nicht immer einfach.

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