3-Level-Truth: Die Wahrheit hinter einem Verrat

Noch ein Beispiel zu Die drei tiefen Wahrheiten. Tatsächlich gibt es auch Berührpunkte zu 3-Level-Truth: Ein trauriges Team-Beispiel, aber die Perspektive und Story ist anders.

Und natürlich anonymisiert und vereinfacht.

Das Setting

Die Situation ist Folgende: Eine Teamleitung, nennen wir sie V, fällt für eine begrenzte Zeit aus. Man kann so mit 2 Jahren rechnen. Das Team ist selbst gesteuert und selbst organisiert. Es gibt also außer dem Reporting an die Geschäftsführung gar nicht so viel an “Führungsaufgaben”. Alles entspannt.

Und so sind dann auch die Optionen, wie man die 2 Jahre überbrücken möchte:

  • Das Team bleibt “führungslos” (dazu muss man sagen, dass es das vorher schon mal für fast 2 Jahre gab und es super funktioniert hat; daraus entstand die Selbst-Steuerung)
  • Es wird ein externer Interims-Manager gesucht; bevorzugt mit agilem oder Management 3.0 Hintergrund
  • Wir suchen eine Nachwuchs-Führungskraft, die dort ihre ersten Schritte gehen kann (das hat aber zwei Probleme: Was machen wir mit der Person, falls es nach den 2 Jahren keine Stelle gibt und – viel problematischer – ist ein selbst gesteuertes Team tatsächlich der beste Platz zum Üben, weil das nicht repräsentativ für die Organisation ist)
  • Wir finden jemanden, der schon ein Team hat und das Team mit betreut; da es selbst gesteuert ist, sollte das nicht viel Aufwand sein.

Da jetzt Reporting keine Wertschöpfung bringt, möchte man intuitiv zum ersten Vorschlag tendieren. Einfach, bewährt, schlank, günstig.

Da Vertrauen ein ganz großer Wert in der Organisation ist, kann ja auch Kontrolle kein Thema sein.

Jetzt ist es so, dass V gleichzeitig mit F angefangen hat. Beide sind in Teamleitungspositionen eingestellt worden und haben auch einen Teil der entsprechenden Trainings gemeinsam absolviert. Sie kennen sich und vertrauen sich.

Und das Team ist aus Sicht von V ein Traum. V hätte nie gedacht, dass es bei der Arbeit so eine Verbundenheit geben kann. Und V möchte, dass es bewahrt wird. Es darf sich weiter entfalten, gerne. Aber nie mehr zurück. Und mit diesem Kontext und Auftrag wird dann doch der Vorschlag 4 genommen und V vertraut F das Team an. “Pass für mich auf die auf!”

Die Story

Aus Sicht des Teams ist es so, dass der Vorschlag natürlich nicht ideal ist. Aber hey, das Team vertraut V und damit bekommt F einen Vorschuss and Vertrauen.

Und um es nicht zu weit auszubreiten: Es läuft gut. F hat wenig Zeit – wie zu erwarten war – und schaut nur, dass der Informationsfluss zur Geschäftsführung passt. (Was natürlich nicht einfach ist: Wie soll man über Themen reden, von denen man nicht viel versteht. Aber es sind ja nur 5% der Aufmerksamkeit, denn die plötzliche neue Regelrücksprache mit der Geschäftsführung erlaubt auch, über die wirklich eigenen Themen zu sprechen. Nice.)

Also alles entspannt, F ist der Proxy und Führung, als auch Arbeit findet im Team statt.

Nach einem Jahr sagt aber der Team-Seismograph (also die Person, die emotional am sensibelsten ist): “Da stimmt was nicht. Etwas ist anders.”

Alle anderen sagen aus dem Neocortex: “Nee, ist doch alles gleich. Entspann dich. Es gibt ja überhaupt keine objektiven Kriterien.”

Und das stimmt, wirklich objektive Kriterien gibt es nicht. Aber was alle merken ist, dass von oben keine Information fließt. Was in den Gesprächen mit der Geschäftsführung besprochen wird ist unbekannt. Entscheidungen bleiben aus. Es ist also nicht das, was passiert, sondern das, was fehlt.

Als dann die Zeit der Rückkehr von V kommt, kommt die Überraschung: Aus dem kleinen Team wird ein Bereich und F die Bereichsleitung. V bekommt in dem Bereich ein Team zugewiesen. (Nur damit es klar als möglich wird: Wir reden hier über ca. 6 FTEs. Im Bereich. Also dafür 2 Manager abstellen ist vielleicht ein wenig übertrieben.)

Zwischen all dem üblichen Blabla gab es einen Satz, der spannend war: “Wir steuern jetzt mehr durch. Die Selbstorganisation bauen wir zurück.”

Wem es nicht passte, der dürfte in eine Kündigung gehen, die anderen in die innere Kündigung.

Die Analyse

Es gibt eine Reihe von Vertrauensbrüchen. Für mich ist das was F mit V macht, die “Mutter allen Verrats”. Aber ich din da auch sensibel.

Der andere Verrat ist, dass nicht drüber geredet wurde. Die BigBang-Verkündigung – speziell auch in der Art – war die absolute Katastrophe. (Vor allem, weil es angeblich das beste Szenario war, von allen, die sie durchgesprochen haben.)

Obwohl der Neocortex es so lange geheim gehalten hat, war es spürbar. Das Team hat seinem Seismographen nicht vertraut. Weil es eben nicht “real” war. Wir verpassen viel, wenn wir uns nur auf die Fakten konzentrieren. Unser Limbi ist genauso real.

Dasselbe gilt auch für die Geschäftsführung, die da ja mitgemacht hat: Es wurden die Werte verraten und alles was es an Führungsregeln gab.

Wir dürfen verstehen, dass sich solche Dinge rumsprechen. Und wenn man solche Verhaltensweisen zulässt, dann zeigt das, was der wirkliche und reale Standard ist. Gordon Ramsay sagt “du bist nur so gut wie dein letzter Teller”. Für Management und Führung gilt: “Du bist nur so gut, wie dein größter Verrat.” Und Verrat ist oft nichts zu machen.

Was passiert auf welcher Schicht?

Vielleicht sind es hier nicht Schichten, sondern unterschiedliche Motive.

Neocortex

Also der Neocortex kann da eigentlich nichts Sinnvolles sagen. Das ist vielleicht das Spannendste an der Situation. Weil es ist so offensichtlich, dass es keinen rationalen und logischen Grund gibt. Bei 6 FTEs sollte ich nicht noch eine Stufe in die Befehlskette einbringen.

Limbi

Limbi: Das ist leichter. Der Limbi wird in verschiedenen Richtungen unterwegs sein. Das Erste ist offensichtlich: “Ich habe Zugang zur Geschäftsführung”. Damit bin ich wichtig und werde endlich gesehen, gehört und verstanden.

Elternersatz

Die Grundlage jeden Kontaktes sind gegenseitiges Sehen, Hören, Verstehen und Berühren. Das sollte die Basis von Erziehung sein. Das ist der Job der Eltern (in den ersten 7 Jahren) und dann sollte es mehr und mehr gegenseitig werden.

Geht es in der Erziehung aber mehr um “Funktion” und “Leistung”, dann wird das Kind eben nicht gesehen, gehört, verstanden und berührt. Es funktioniert im Außen (Neocortex), aber im Innen (Limbi) stirbt es.

Und sterben heißt da, dass wir eine Welt um den Glaubenssatz “ich bin nicht genug” bauen. Denn wenn wir ein gutes Kind wären, dann würden unsere Eltern uns ja auch so behandeln. Auch da sehen wir: Die größten Schmerzen, die schlimmste Gewalt, kommt oft nicht aus dem was wir tun, sondern aus dem, was wir vorenthalten. Menschen verhungern lassen ist Gewalt.

Und wenn wir diesen Hunger in uns haben, dann suchen wir Ersatz für unsere Eltern. Das was sie uns nicht gegeben haben, dass wollen wir jetzt von jemand anderem.

Das ist das verlockende and Hierarchie und Befehlskette: Es ist ein toller Ersatz für die Menschen, die die Bestätigung ihrer Eltern suchen. “Wenn mein Chef mich sieht, dann wird alles gut.”

These: Da die meisten Kinder vor allem die Bestätigung vom Vater vermissen, haben wir so viele Männer in der Hierarchie. Und klar funktioniert es nicht. Weil da ja genau die Männer sitzen, die nichts außer sich selbst sehen. Nicht mal sich selbst, sondern nur ihren Schmerz.

Also es geht um Bedeutung. Aber eigentlich geht es um den Elternersatz. Wir tun alles damit wir ein “ich bin genug” fühlen können.

Gecko

Was wäre eine Analyse, ohne dass wir uns auch den Gecko anschauen. Da fallen mir spontan (ich muss zugeben, ich mache die Analyse während ich schreibe, und weil ich langsamer schreibe als denke, kann es sein, dass ich da auch Dinge verpasse. Gerne ergänzen.)

Verbundenheit erschreckt: Die Verbundenheit die F im Team sieht, macht Angst. Warum? Weil es eben unbekannt ist. Das hat natürlich viel mit dem “ich bin nicht genug” zu tun. Aber hier geht es konkret um die nicht erlebte Verbundenheit, Nähe und Begegnung. Fs Limbi merkt, dass das nicht nur emuliert an der Oberfläche ist. da passiert was, was er nicht kennt, nicht versteht und was völlig fremd ist. Fremd macht Angst.

Nicht gebraucht werden erschreckt: Wenn ich nur Benutzung kenne, ist Begegnung schwierig. Wenn F seinen Wert aus Leistung zieht und auch vor der Geschäftsführung mit seiner Leistung glänzen muss, dann ist ein intelligentes Team eine Bedrohung. Wir brauchen doch die Hierarchie nur, damit wir uns unseren Wert beweisen können “ohne mich geht da gar nichts”. Deswegen wollen wir alles kontrollieren. Gebraucht zu werden, bringt uns selbst in die Eltern-Rolle und lässt unser “ich bin nicht genug” verstummen. (Hoffen wir. Klappt natürlich nicht.) Werden wir nicht gebraucht, fühlt sich das leer an. Wir werden wieder verhungern gelassen.

Lebendigkeit erschreckt: Limbi ist Leben (siehe dazu auch 3-Level-Truth: Ein trauriges Team-Beispiel). Da ist Freude, Neugier, Lust am Gestalten. Verbindung in andere Bereiche. Wenn der innere Zustand des Teams nicht zu meinem passt, dann löst das Widerstand und Gegenwehr aus. Die Lebendigkeit entzieht sich aber auch meiner Kontrolle. Das macht auch Angst. Da ist dann auch die Angst vor Konkurrenz (weil jemand muss das ja machen) und Neid dabei.

Wir haben also einen bunten Strauß an Gefühlen. Alles sehr sicher unbewusst.

Warum zerstören verletzte Menschen so gerne?

“Ich möchte, dass ihr fühlt, wie ihr macht, dass ich mich fühle.”

Wenn ihr treue Leser:innen seid, dann kennt ihr den Gedanken zur Genüge. Und es ist so wichtig, weil wir auf der untersten Ebene immer wieder dieselben wenigen Themen finden.

Die Liebe fehlt. Also wir sehen uns nicht und auch nicht unsere Entfaltung. Wir sehen nur, dass wir funktionieren müssen. Und lieben wir uns nicht, lieben wir überhaupt nicht, weil es eben eine Art ist die Welt zu sehen.

Das mit dem Funktionieren ruiniert auch die Beziehungsebene. Also ich wurde nicht gesehen, gehört, verstanden und berührt. Habe das nicht gelernt und kann es auch bei anderen nicht.

Das strahlt in die anderen Grundbedürfnisse aus: Selbstwert (fehlt der, haben wir dort das “ich bin nicht genug”), Selbstbestimmung/Gestaltung (“ich kann/darf nicht”) und Sicherheit (“ich darf nicht sein/zeigen, wie ich bin”).

Daraus baue ich das Weltbild des Schmerzes (meine keine vertraute Welt der Ablehnung) und schütze die durch Glaubenssätze, die diese Welt des Schmerzes erklären. Da können wir das “ich bin nicht genug” in allen Varianten wiederverwenden.

Und im Umgang mit anderen wird Limbi mit seinem “ich will, dass du fühlst, was ich fühle” dominieren. Und das andere Ersatz-Muster für Beziehung ist “ich habe recht und du musst machen, was ich dir sage”. Weil wir nichts anderes kennen.

Mit diesen Bausteinen, können wir viele der verwirrten Situationen entwirren.

Wie immer viel Freude und Erkenntnisse dabei. Und ich stehe euch jederzeit auch zur Seite.

Ergebnis

Das Team kam jetzt etwas zu kurz. Aber wir können sagen, dass in wenigen Sekunden die ganze Arbeit von Jahren zerstört wurde. Also was Vertrauen und Verbundenheit betrifft.

Natürlich sehen das manche Menschen gar nicht, weil eben nur die Oberfläche gesehen wird.

Jetzt kannst du als berechtigte Kritik sagen: Aber wenn das so empfindlich ist, lohnt es sich dann überhaupt intelligente Systeme aufzubauen? Wenn jetzt da einer entlangkommen kann und alles ist hin?

Ob in Teams oder in Beziehungen: Ich bin oft auch entmutigt. Wenn Menschen sich – obwohl sie Alternativen haben – für den Schmerz entscheiden, tut mit das weh. Es ist schade. Definitiv.

Aber ob wir ein Auto bauen, eine Torte machen, einen Garten anlegen, eine Wand streichen, ein Bild malen, ein Buch schreiben: Bei nichts von diesen Dingen dauert die Zerstörung so lange wie die Schaffung.

Egal wohin wir schauen, Zerstörung geht leicht. Ein tolles Essen, was Stunden in der Zubereitung gekostet hat, kann ich in Sekunden zerstören, indem ich es auf den Boden werfe.

Nur während wir in der “normalen” Welt ein Gefühl dafür haben, wann Zerstörung stattfindet und die meistens zu vermeiden versuchen (wir fahren ja mit dem Auto auf der Straße und absichtlich nicht gegen die Mauer), haben wir in sozialen Systemen das Gefühl verloren. Wir sind mit der Zerstörung groß geworden, dass wir sie nicht mehr erkennen. Wir halten Zerstörung für normal.

Und das ist, worüber ich schreibe. Zuerst müssen wir die Zerstörung wieder als solche erkennen. Der Rest ist dann ganz einfach.

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