Da war dieser Artikel im Handelsblatt, bei dem gleich die Überschrift hängen geblieben ist

“Die netten Jahre in der Führung sind vorbei.”

Jetzt kann ja das Handelsblatt nichts dafür, aber der Titel fordert auf, mal hinter das Reaktionsmuster zu schauen. Was lernen wir von dem Ruf nach “Zahlenmenschen”. Also doch wieder Macht und Kontrolle, den das funktioniert. Was sagt es vor allem über die Rufer aus.

Der Gecko im Bild ist von mir … und absichtlich.

Wir hatten nie Führung

Also wenn Druck kommt, dann fallen wir in unsere Grundmuster zurück. Es ist immer spannend Menschen an ihrem BreakingPoint zu beobachten. Dann lernen wir den Kern kennen.

Das Bild von der Zahnpasta-Tube: Unter Druck zeigt sich, was in uns steckt.

Hier sehen wir, dass das Bild des Feudalismus – der Sklaventreiber – nie abgelegt wurde. Das Mindset ist in Richtung von “Ich weiß wo es langgeht und wenn die endlich mal machen, was ich sage, dann läuft es.”

Führung ist eine andere Welt. Führung glaubt an kollaborierende und kooperierende Systeme. Wenn das das Grundmuster wäre, käme die Frage “wo haben wir Kollaboration verloren”. Aber wir sind gedanklich noch auf dem Kartoffelacker. Peitsche raus und dann wird das schon.

Also alles “Nette” war nur Fake, Zuckerguss und Lüge.

Macht und Kontrolle ist Angst

Ja, wir haben spannende Zeiten. An vielen Stellen haben wir in unserer eigenen Arroganz wichtige Trends verschlafen. Aber hier geht es nicht um die Ursachen, sondern um die Reaktion. Also wir erleben eine Krise und was sehen wir?

Genau, wir sehen das Grundmuster im Stress. Das ist primär unser Reptilienhirn. Und das kennt drei Muster: Fight, Flight, Freeze.

Und es ist nicht schwer zu sehen, dass die Fight-Leute (weil das die einzigen sind, die im Stress laut werden), nach Fight-Leuten rufen.

Also alles was mit Macht und Kontrolle zu tun hat, kommt aus Angst und dem Fight-Impulse. Die Echse in uns wird es richten.

Angst kommt aus Überforderung

Jetzt kommt noch ein Aspekt. Die emotionale Regulierung. Oder meistens das Fehlen davon.

Kein Gefühl ist problematisch. Gefühle sind Hilfen, um Situationen zu erkennen, einzuordnen und zu bewältigen. Dazu brauche ich die Fähigkeit der emotionalen Regulierung.

Das bedeutet, dass ich das Gefühl nutzen kann. Also ich unterdrücke und betäube es nicht, aber ich lasse mich auch nicht komplett davon steuern. Lasse es einfach durchlaufen. Das ist dann Reptilienhirn.

Jetzt ist es so, dass wir mit 7 Jahren die Fähigkeit zur emotionalen Regulierung da sein sollte. Naja, wir kennen die Realität.

Aber wir hören auch, dass die Menschen, die im Reptilienhirn-Modus mehr Reptilienhirn-Modus fordern, eben emotional so zwischen 5 und 6 sind.

Das gilt leider für viele alte weiße Männer. Aber auch für alle anderen Menschen. Nur wenn ich so unreif an den Hebeln der Macht sitze, ist es gefährlich.

Halt nur ein Gecko.

Alternativen zum Reptilienhirn?

Jetzt stellen wir uns mal vor, wir hätten emotionale Regulierung, erkennen – frühzeitig – ein Gefühl der Bedrohung und agieren mehr, als wir reagieren.

Wir erkennen eine komplexe Welt und probieren Kollaboration, denn – auch das haben wir ja gelernt – selbst der Kartoffelacker ist kollaborativ bei 260% der Top-Performer Produktivität. Also machen wir, was richtig ist.

Ein wunderbares Bild, das den Unterschied zwischen „kompliziert“ und „komplex“ erklärt, habe ich vor Jahren in einem Vortrag gehört. Seitdem benutze ich es immer wieder.

Der Kern der Aussage ist, dass Komplexität nicht reduzierbar ist, ohne die wesentliche Eigenschaft des Systems zu verlieren. Was bedeutet das?

Nehmen wir ein Fahrrad. Ich kann ein Fahrrad in seine Einzelteile zerlegen, die Informationen speichern, die Teile reinigen oder austauschen. Danach baue ich das Fahrrad wieder zusammen, und es funktioniert besser als zuvor.

Das Gleiche könnte ich theoretisch auch mit einem Huhn machen. Ich zerlege es in seine Einzelteile, speichere die Informationen, reinige oder ersetze die Teile. Doch wenn ich das Huhn wieder zusammenbaue, sieht es zwar aus wie vorher, aber die wesentliche Eigenschaft – das Leben – ist verloren.

Das mag makaber klingen, aber es ist ein perfektes Bild für das, was ich in Organisationen immer wieder sehe. Ich habe ein vitales, komplexes System (z.B. ein Team), möchte die Komplexität durch Kontrolle reduzieren und beherrschen. Dabei stirbt jedoch das System, die wesentliche Eigenschaft – wie Kreativität, Innovation, Agilität, Lebendigkeit – geht verloren. Danach benutze ich das System wie eine Marionette, um den Eindruck von Lebendigkeit zu erwecken.

Führung baut Systeme für Komplexität. Denn es kann nicht einen Kopf geben, der alles im Griff hat. Das Teile-und-Herrsche-Prinzip funktioniert eben nur dort, wo das Wesentliche nicht beim Teilen verloren geht.

Lernen von den Römern

Wenn wir jetzt nicht an Komplexität glauben und in einer komplizierten Welt unterwegs sind, dann können wir es dennoch besser machen.

Teile und herrsche war das Fundament der römischen Struktur. Und des römischen Erfolgs. Gerade im Militär wurde es konsequent durchgezogen.

Das Kontubernium bestand aus 8-10 Soldaten, die gemeinsam ein Zelt teilten und als eng verbundene Einheit agierten. Mehrere Kontubernien bildeten eine Zenturie (80-100 Soldaten), die von einem Zenturio geleitet wurde. Zwei Zenturien wurden zu einem Manipel zusammengefasst, und drei Manipel bildeten eine Kohorte (ca. 500-600 Soldaten). Zehn Kohorten schließlich ergaben eine Legion (5.000-6.000 Soldaten), die von einem Legat kommandiert wurde.

Ich habe das mal aus Spaß mit einer aktuellen Organisation verglichen. Nehmen wir die Größe einer Legion. Dann hätten wir bei den Römern 72 Personen im Management. In der gelebten Wirklichkeit waren es über 400.

Dann muss man sich nicht wundern, dass wir langsam und richtungslos werden. Denn die 400 Personen verfolgen überwiegend persönliche Interessen – also denken primär vertikal – die muss ich gut einfangen und kontrollieren. Und genau daran fehlt es in der Praxis oft. Also wichtig ist es, diesen Teil sehr schlank zu halten.

Und jetzt?

Ich hoffe wir halten kurz ein und überlassen den Gecko-Impuls den Ewig-Gestrigen.

Wir wissen es ja besser.

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